Kennt ihr das: Alle Teams arbeiten effizient aber dennoch kommt das Gesamtprodukt nicht voran? Wie schaffen wir es, mehrere Teams zu koordinieren, die am selben Produkt arbeiten, damit sie alle auf die selbe Strategie einzahlen? Hier bieten die Kanban Flight Levels von Klaus Leopold einen guten Lösungsansatz.

Bevor ich hier bei intersoft meinen Platz gefunden habe, habe ich in meiner beruflichen Laufbahn einigen Firmen bei der Transition geholfen. Dabei taucht immer wieder das selbe Problem auf: Einzelne Teams performen super, aber die Koordination fällt schwer. Das Ganze dann auch noch an eine Strategie zu koppeln, ist die Königsdisziplin. In diesem Artikel stelle ich euch eine Methode vor, die Kanban-Teams koordiniert und an die Strategie bindet. Es ist es kein Showstopper, wenn in den Entwicklungsteams gescrummt wird.

Gina Steiner, Product Owner, intersoft AGGina Steiner, Product Owner, intersoft AG

Effizienz und Effektivität – Aufräumen mit einem Missverständnis

Oftmals werden die Begriffe Effizienz und Effektivität gleichgestellt, dabei sind damit völlig unterschiedliche Dinge gemeint. Effizienz bedeutet, die Dinge richtig zu machen. Dies bedeutet, man arbeitet beispielsweise schneller oder ressourceneffizienter. Wenn ein einzelnes Team effizient ist, kann das für ein Gesamtsystem sogar schädlich sein.

Ein Beispiel: Ein Team arbeitet im Wertstrom vor anderen Teams und ist sehr effizient. Ein anderes Team ist auf Arbeiten dieses Teams angewiesen und bekommt einen Berg an fertiger Arbeit von dort ausgeliefert. Allerdings ist in unserem Beispiel das „fehlende Teil“ für die Weiterarbeit dieses Teams nicht dabei. Es wird nur ein Berg an fertiger Arbeit erzeugt, die aktuell nicht weiterverwendet werden kann. Wichtig wäre bei interagierenden Teams eher, die richtigen Arbeiten rechtzeitig fertig zustellen.

Effizient

Die Dinge richtig tun

Effektiv

Die richtigen Dinge tun

Effizient & Effektiv

Die richtigen Dinge richtig tun

Jetzt fragt ihr euch vielleicht, was das mit Kanban Flight Levels zu tun hat. Das Zauberwort ist Koordination, denn durch Koordination können wir die richtigen Dinge zur richtigen Zeit tun und das dann hoffentlich auch noch richtig, also effizient. Der Koordination wird im Folgenden ein ganzes Flight Level gewidmet und was das genau bedeutet, erkläre ich euch jetzt.

Kanban Flightlevels – Ein tolles Konzept

In seinem Buch „Flight Levels – Organisationen mit Business-Agilität führen“ beschreibt Klaus Leopold sein Flight Levels Modell. Es betrachtet die Organisation und die darin getätigten Arbeiten in Flughöhen. Durch die Flughöhen geht er auf die unterschiedlichen Betrachtungsmöglichkeiten ein.

Es beschreibt drei Betrachtungsebenen bzw. Flughöhen einer agilen Organisation: die strategische, die koordinative und die operative Ebene. Es ist also ein Diagnose- und Kommunikationsinstrument, um Agilität ganzheitlich zu implementieren. Als Kommunikationstool zeigt es auf, wo in der Organisation was getan werden kann, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Außerdem findet es heraus, auf welcher Ebene die Agilität in einem Unternehmen zum Erliegen gekommen ist.

Leopols Idee basiert zwar auf Kanban, aber keine Angst: Da Teams, die nach Scrum arbeiten, sich per Definition auf Flight Level 1 befinden, ist hier schon einmal alles klar. Im skalierten Scrum manifestiert sich das Flight Level 2 dann z. B. in teamübergreifenden Plannings oder auch neu geschaffenen Rollen. Dann fehlt nur noch die Strategie, die auf Flight Level 3 abgebildet und angekoppelt werden muss.

Jetzt aber einmal etwas genauer:

Flightlevel 1 – Arbeitsprozesse

 

Auf Flight Level 1 befindet sich die operative Ebene. Agile Teams verrichten “echte” Arbeiten. Es handelt sich hier um die Arbeit von einzelnen Teams oder Abteilungen, die Teil eines Wertstroms sind oder einen Service für ein anderes Team bieten. Die gewählte agile Methode (Scrum oder Kanban) des Teams ist zweitrangig – wichtig ist nur, dass die Arbeit transparent gemacht, verstanden wird, der Kunde klar ist, die Arbeit priorisiert und limitiert wird.

Durch die geringe Flughöhe bietet sich ein hervorragender Blick auf die Arbeitsdetails. Verbesserungen sind hier lokal beschränkt und haben in der Regel nur wenig Effekt auf die Optimierung des gesamten Wertstroms.

Der Detailgrad ist sehr hoch (Stories, Tasks) und der Zeithorizont kurz (Tage).

Flightlevel 2 – Koordination

 

Flight Level 2 koordiniert und synchronisiert alle Teams, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Wie eingangs beschrieben, nutzt einer Organisation eine agile Folklore in den Teams wenig, wenn Abhängigkeiten oder Blockaden zwischen den Teams den gesamtem Arbeitsfortschritt verhindern. Der Zaubersatz ist hier: Gemeinsam an einem Wertstrom arbeiten.

Dafür wird auf Flight Level 2 der Wertstrom von der Idee bzw. der Bestellung bis zur Auslieferung an den Kunden im Ganzen betrachtet. Das Zauberwort ist hier: End-to-End-Flow. Auf diesem Level wird der Wertstrom koordiniert. Verbesserungen wirken sich dementsprechend nicht mehr nur lokal, sondern global auf den gesamten Prozess aus.

Es wird ein agiles Verständnis für visuelle Boards etabliert, Kommunikationsrituale und -routinen implementiert, um Abhängigkeiten transparent zu machen und eine hohe Synchronisation der Teams zu erreichen. Entsprechend hat man auf Flight Level 2 generell eine höhere Flughöhe als auf dem ersten Flight Level.

Der Detailgrad ist gering (Epics) und der Zeithorizont mittelfristig (Wochen).

Flightlevel 3 – Strategie

 

Für den Überblick geht es auf Flight Level 3. Das dritte Flight Level betrifft das strategische Portfoliomanagement einer Organisation und ist gleichzeitig die Achillesferse vieler Organisationen. Hier liegt die Strategie im Fokus. Das Flight Level 3 unterstützt die Organisation dabei, ihre Strategie zu operationalisieren. Dafür wird die Strategie so heruntergebrochen, dass Initiativen über das Flight Level 2 koordiniert und in die Flight Level 1 umgesetzt werden.

Dabei wird das Ziel verfolgt, Demand und Capability in Balance zu halten. Oder anders gesagt die laufenden Vorhaben in Balance mit den Ressourcen zu halten. Das heißt, Neues wird nur dann angefangen, wenn auch Kapazitäten frei sind – alternativ kann natürlich auch ein weniger erfolgversprechendes Vorhaben gestoppt werden. Es wird also ganz klar priorisiert und die laufenden Arbeiten limitiert.

Erfolgreiche Verbesserungen auf dieser Flughöhe führen zu Klarheit bei den Mitarbeitenden und damit Alignment in der Organisation.

Der Detailgrad ist sehr gering (Super-Epics) und der Zeithorizont lang (Quartale).

Fazit

Ich mag das Flight Levels Modell schon lange und ich habe es schon mehrmals in Organisationen implementiert. Ich finde, es besticht durch seine Einfachheit. Das Flight Levels Modell bringt uns zum Reden und zwar über die Sache. Wir reflekieren den gesamten Wertstrom und kommen aus der eigenen Suppe heraus.

Meiner Erfahrung nach liegt der Hase selten auf Flight Level 1 im Pfeffer. Meist hakt es auf Flight Level 2, denn viele Teams sind sich nicht immer grün und Konflikte in Organisationen oft alt. Dieses Level läßt sich aber noch ganz gut in den Griff kriegen, denn die Arbeit ist noch sichtbar, da sie „nur“ koordiniert wird.

Wirklich schwierig wird es auf Flight Level 3. Denn hier werden oft zu wenig mutige oder unbequeme Entscheidungen getroffen und oft weder konsequent priorisiert noch limitiert. Oft mangelt es auch an zielführender Kommunikation. Stattdessen kann es sein, dass die Organisation mit Initiativen oder gar Kurzschlussinitiativen überschüttet oder überrascht wird.

Wer also ein Koordinations- oder ein Limitierungs- oder Priorisierungs-Problem in der Strategie hat, kann sich das Flight Levels Modell mal anschauen.

Gina Steiner, Product Owner, intersoft AG

Über die Autorin:

Ich heiße Gina, lebe seit 30 Jahren in Hamburg und beschäftige mich mit agilen Arbeitsmethoden und Organisationsentwicklung. Ich bin akkreditierte Kanban-Trainerin der Lean Kanban University und habe im Laufe meiner beruflichen Laufbahn einigen Firmen bei der agilen Transition geholfen. Bei intersoft bin ich seit 1,5 Jahren als PO tätig und wirke dabei während der alltäglichen Arbeit auf die agile Transformation ein.

Während und nach meinem Meteorologie-Studium habe ich am Max-Planck-Institut für Meteorologie gearbeitet, wo ich mit der Open Source Welt in Kontakt kam. Seit 2003 war ich diesbezüglich stark engagiert, Vize Präsident der TYPO3 Association, danach ein Neos-Core-Team-Member und Direktorin der Neos Foundation.

Privat liebe ich es, durch die Welt zu reisen, zu schwimmen und Kajak zu fahren. Ich bin Tauchlehrerin, GUE Höhlentaucherin und segle ab und zu auf einem Traditionsschiff namens Windsbraut.