Ich stelle mir folgende Situation vor: Ich habe eine schöne Reise mit mehreren Personen in ein interessantes Land mit tollem Hotel und mehreren Ausflügen inklusive gebucht. Auf diese freue ich mich besonders, denn ich möchte von der mir unbekannten Gegend so viel wie möglich entdecken.
Der erste Ausflugstag bringt leider eine große Ernüchterung. Die Reiseleitung meint es sehr gut mit der Einbindung aller Personen. Es werden 1000 verschiedene Wünsche geäußert, jeder darf mitdiskutieren und entscheiden, was wir wann, wie und wo machen. Das hört sich toll an, sieht aber in der Praxis so aus, dass wir ewig viel Zeit mit Diskussionen verbringen und keiner entscheiden mag, weil ja alle gleichberechtigt sind. Die Gruppe ist sehr heterogen, jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse, Ansprüche und Bedenken. Ich schaue nur auf die Uhr, sehe den Tag verrinnen und mit ihm immer weniger Optionen für neue Reiseeindrücke. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass die Reiseleitung den Schirm hochhält und sagt: „Alle mir nach, wir gehen als erstes diesen Weg und schauen uns … an“! Damit wir uns in Bewegung setzen.
Könnt ihr mit mir mitfühlen?
Vielleicht kennt ihr solche Situationen aus verschiedenen Kontexten auch und wünscht euch genauso, dass eine Person in Führung geht, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Ich erlebe solche Situationen ewiger Diskussionen und gut gemeinter allumfassender Einbindung sehr häufig. Gerade da, wo früher starke Hierarchien waren und die Entscheidungen mit wenig Einbindung von Mitarbeitern getroffen wurden, geht man nun häufig den entgegengesetzten Weg von totaler Einbindung. Und diese Partizipationsfalle lähmt eine Organisation unfassbar. Entscheidungen werden nur schwer oder gar nicht getroffen. Manchmal werden sie auch einfach aus Frust oder Ermüdung getroffen, damit die Diskussion endlich ein Ende hat.
Es gibt nicht nur schwarz oder weiß
Gerade bei Veränderungsprozessen ist es wichtig, dass jemand den Rahmen vorgibt und den Lead einnimmt. Damit eine Vorwärtsbewegung entstehen kann, braucht es ein Ziel und Führung. Denn Veränderung ist per se mit Unsicherheit und unterschiedlichen Emotionen verbunden. Um durch diese durchzukommen, hilft es, wenn jemand den Schirm hochhält und sagt: „Ich gehe voran, ich kenne das Ziel und werde den Weg mit euch dort hingehen“. Damit ist dann nicht gemeint, dass einer vorne wegrennt und alle anderen hetzten nur noch hinterher, ohne jegliche Einbindung und Meinung. Es ist eben nicht alles schwarz oder weiß. Es gibt viele unterschiedliche Formen und Farben. Die unterschiedlichen Facetten gilt es für das eigene Vorhaben herauszufinden und gewinnbringend einzusetzen. Bewegung entsteht durch losgehen, erste Schritte in eine Richtung zu setzen. In regelmäßigen Abständen können wir innehalten und überprüfen, ob wir dem Ziel näher gekommen sind oder die Richtung ändern sollten. Und das kann gerne mit Einbindung vieler Meinungen geprüft werden. Trotzdem muss am Ende eine Entscheidung her und der Schirm in die Luft gehalten werden: „Erstes Teilziel überprüft, weiter geht’s!“