Kanban ist nicht nur ein Projektmanagement-Tool, sondern eine evolutionäre Change Management Methode. Sie ist heute so aktuell, wie nie zuvor. Für welche Aufgaben Kanban optimal geeignet ist und wie das Ganze funktioniert, erfahrt ihr hier. 

Bevor ich hier bei intersoft meinen Platz gefunden habe, habe ich in meiner beruflichen Laufbahn als akkreditierte Kanban Trainerin, Kanban Coaching Professional und Kanban Management Professional gearbeitet. Kanban bietet in vielen Fällen (insbesondere auch in Fällen, in denen nicht programmiert wird) Lösungsansätze, die Scrum in erster Instanz nicht bieten kann. In diesem Artikel gebe ich euch einen ersten Einblick in Kanban.

Gina Steiner, Product Owner, intersoft AGGina Steiner, Product Owner, intersoft GmbH

Kanban kann vieles verändern zum Beispiel auch das Projektmanagement. Im Projektmanagement ist eines der häufigsten Probleme ein unübersichtlicher, nicht zu bewältigender Workload.

Da stapeln sich die To-Dos, diverse Aufgaben sollen parallel erledigt werden und beim nächsten Statusmeeting stellt man fest, das nichts wirklich fertig geworden ist.
Genau an diesem Punkt setzt Kanban ein. Kanban verändert die Dinge, die wir damit abbilden. Damit ist es eine optimale Methode zur Optimierung von Workflows und Arbeitspaketen. Ihr wichtigstes Prinzip ist die Visualisierung und die Konzentration auf einige wenige Aufgaben, die gleichzeitig bearbeitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzt das Kanban-System einfache, aber effektive Methoden.

Die Geschichte von Kanban

Bevor wir in die Tiefen von Kanban gehen, lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Bereits in den 1940er Jahren hat der japanische Autohersteller Toyota die „Just-in-Time“ Produktion eingeführt, um seine Effektivität zu steigern. Dieses Ziel wurde unter anderem durch die Einführung eines einfachen Diagramms erreicht, das der Organisation des Materials und der Arbeitsabläufe diente – die Geburtsstunde der Kanban-Boards.
Der Begriff „Kan Ban“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet „Karte“ oder auch „Schild“. Auf dieser Karte, dem Board, werden die Aufgaben und ihr jeweiliger Status für alle deutlich visualisiert. So kann jeder im Team, immer sofort erkennen, wo man sich im Prozess befindet, an welchen Aufgaben gearbeitet wird und wo möglicherweise Material-Engpässe sind. Diese Neuerung war für das Unternehmen Toyota damals ein bahnbrechender Erfolg.

Kanban-Boards

Ein Kanban-Board ist die bereits erwähnte Visualisierung eines Projektes in mehrere Spalten. Im einfachsten Fall heißen die Spalten beispielsweise „To-Dos“, „In Arbeit“ und „Erledigt.“ Jedes To-Do wird am Anfang auf eine Karte geschrieben und in der ganz linken Spalte platziert. Im Laufe eines Projektes „bewegen“ sich diese Kanban-Karten dann nach rechts durch die Spalten hindurch.

Wenn im Team entschieden wird, dass To-Do A bearbeitet werden soll, dann wird die entsprechende Karte eine Spalte weiter in den Bereich „in Arbeit“ geschoben. Später nach Abschluss der Tätigkeit wandert sie schließlich weiter in den Bereich „erledigt.“ Wichtig ist dabei, dass es ein Limit gleichzeitig zu bearbeitender Aufgaben gibt, damit die Effizienz gewährleistet werden kann. Im Bereich „in Arbeit“ können so zum Beispiel maximal fünf Kanban-Karten gleichzeitig sein.

Ein Kanban-Board passt sich im Laufe der Zeit dem Prozess an. Es bildet also den genauen Wertschöpfungsprozess ab. Reife Kanban-Boards haben oft „Ready-to“-Spalten, in denen klar zu erkennen ist, ob hier ein „Stau“ entsteht. Denn Kanban optimiert auf Durchlaufzeiten und legt damit viel Augenmerk auf Blockaden. Daher haben Kanban-Boards in der Regel mehr Spalten als Boards, die in Scrum genutzt werden.

Das moderne Kanban

Prinzipiell folgen Kanban-Boards auch heute noch der gleichen Logik, wie zu ihren Anfängen in der Produktion von Toyota. Im Zentrum stehen noch immer die Visualisierung und der transparente, schnelle Durchlauf von Tasks. Doch im Laufe der Zeit wurde die Methodik in ungezählten Praxistests angereichert, optimiert und durch einige bekannte Prinzipien ergänzt. Ganz besonderen Schwung hat das Thema im Agile Kontext erhalten und durch die Anpassung an die moderne IT geradezu eine Wiederbelebung erfahren.

Der entscheidende Input dafür stammt von David J. Anderson, der 2007 in seiner Kanban-Definition ein auf inzwischen sechs Prinzipien und sechs Methoden basierendes System vorstellte. Seither hat natürlich auch hier eine Weiterentwicklung stattgefunden. Die Grundgedanken von David Anderson, die ja ihrerseits eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Systems sind, gelten für alle Kanban-Projekte.

Der Regelkreis des Kanban-Prinzips dreht sich um diese sechs Elemente:

  1. Visualisierung: die Darstellung des Projektworkflows
  2. Arbeit begrenzen und Limits einhalten: Ein Maximum definieren, damit nicht an zu vielen Aufgaben parallel gearbeitet wird (Effizienz).
  3. Workflow-Management: Definition von Regeln und Fokus auf konstantem, schnellen Durchfluss von Kanban-Karten
  4. Regeln und Continuous Improvement etablieren: Einhaltung der vereinbarten Regeln und regelmäßiges, offenes Feedback zu allen Elementen des Projekts.
  5. Leadership / Verantwortung auf allen Ebenen: Klare Verantwortlichkeiten bei möglichst hohem Grad von Eigenverantwortung etablieren.
  6. Zusammenarbeit optimieren: Mit Hilfe von Spielregeln, Modellen und wissenschaftlichen Methoden das Teamwork verbessern.

Weitere gängige Standards sind zum Beispiel tägliche Standup-Meetings am Kanban Board, das Replenishment, sowie regelmäßige Operation Reviews und die weiteren sogenannten Kanban-Kadenzen. Alle Kadenzen haben sich bewährt, gehören aber nicht verpflichtend zum Regelkreis.

Vor- und Nachteile

Das größte Plus bei der Anwendung von Kanban ist seine Einfachheit. Die Regeln und Prinzipien sind überschaubar und dennoch hat das System bei richtiger Anwendung einen enormen Effekt. Durch die Visualisierung und die Reduktion auf eine machbare Anzahl paralleler Tätigkeiten wird der Managementaufwand reduziert und gleichzeitig die Geschwindigkeit erhöht, mit der Aufgaben abgearbeitet werden. Diese Geschwindigkeit ist als „mittlere Durchlaufzeit“ messbar und kann dann sogar als KPI herhalten.

Ein großes Plus ist zudem die hohe Flexibilität bei neuen Anforderungen und Scope-Änderungen. Dadurch, dass regelmäßig neu entschieden wird, welche Kanban-Karten weiterbewegt werden und das Backlog ohne Priorität daherkommt, kann schnell auf solche Änderungen reagiert werden. Die Reaktionszeit kann den Wochensprint in Scrum übertreffen.

Allerdings hat ein einfaches Kanban-System auch seine Grenzen. Bei langwierigen und sehr komplexen Projekten mit vielen Abhängigkeiten reichen die Informationen auf einem Kanban-Board nicht mehr aus. Hier ist eine Implementation von Upstream-Kanban oder von Kanban in mehreren Flightleveln sinnvoll oder notwendig (dazu mehr in meinen anderen Artikeln hier im Blog).

Weiterhin muss das Team willens sein, die Regeln selbst auszuarbeiten und einzuhalten (Kanban ist kein Framework wie Scrum). Das bedeutet ebenfalls, dass ein Regelwerk nicht nur erschaffen werden, sondern dann kontinuierlich überarbeitet werden muss – das bedeutet viel Diskussion und Konsequenz.

Let’s get it started

Es lohnt sich fast für alle Teams und Unternehmen, das Kanban-System zumindest einmal auszuprobieren. Der Vorteil der Methode ist gerade seine Einfachheit. Am besten nimmt man zu Beginn eine freie Fläche und klebt die entsprechenden Spalten ab. Mit Post-Its heftet man dann die anstehenden Aufgaben und Informationen eines Projektes daneben wie bei einer To-Do-Liste. Das geht natürlich auch bestens virtuell.

Dann sollte in einem Meeting mit dem gesamten Team das Regelwerk besprochen und festgehalten werden. Das kann gerne auf einem Flipchart oder digitalen Board passieren, damit die Grundregeln gut sichtbar und alle bekannt sind. Nun kann es schon losgehen und die ersten Kanban-Karten können in die „in Arbeit“-Spalte bewegt werden – voilà.

Dies hier ist, wie ihr bemerkt, der allererste Überblick. Wenn ihr Kanban ernsthaft ausprobieren wollt, empfehle ich euch meinen nächsten Artikel – er ist bereits in Arbeit, bleibt also dabei, es kommt noch mehr!

Nice to have: Kanban eignet sich besonders gut fürs Change Management.

Gina Steiner, Product Owner, intersoft AG

Über die Autorin:

Ich heiße Gina, lebe seit über 30 Jahren in Hamburg und beschäftige mich mit agilen Arbeitsmethoden und Organisationsentwicklung. Ich bin akkreditierte Kanban-Trainerin der Lean Kanban University und habe im Laufe meiner beruflichen Laufbahn einigen Firmen bei der agilen Transition geholfen. Bei intersoft bin ich seit über 2 Jahren als PO tätig und wirke dabei während der alltäglichen Arbeit auf die agile Transformation ein.

Während und nach meinem Meteorologie-Studium habe ich am Max-Planck-Institut für Meteorologie gearbeitet, wo ich mit der Open Source Welt in Kontakt kam. Seit 2003 war ich diesbezüglich stark engagiert, Vize Präsident der TYPO3 Association, danach ein Neos-Core-Team-Member und Direktorin der Neos Foundation.

Privat liebe ich es, durch die Welt zu reisen, zu schwimmen und Kajak zu fahren. Ich bin Tauchlehrerin, GUE Höhlentaucherin und segle ab und zu auf einem Traditionsschiff namens Windsbraut.